Ihre Angelegenheit vollzieht sich in Beratung – Teil 1

26/04/2021| IslamWeb

Schûrâ (Beratung) ist ein schöner Begriff und enthält eine würdevolle Bedeutung. Der Begriff wird oft von Sprachwissenschaftlern und den Gelehrten von Tafsîr, Hadîth und Fiqh aufgegriffen. Ebenso taucht er bei Dichtern, Denkern, gebildeten Personen und Politikern auf. Er bezeichnet eine Methode, die aus den Versen des Wortes unseres Herrn stammt und auf praktische Weise durch unseren Propheten (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) und die Leitung unserer rechtschaffenen Vorfahren (möge Allâh mit ihnen zufrieden sein) verwirklicht wurde.

Schûrâ ist ein Kennzeichen einer muslimischen Gesellschaft und ein Merkmal, mit dem sie sich entwickelt und gedeiht. Sie leitet diese Gesellschaft in allen Angelegenheiten, speziell und allgemein.

Sprachlich leitet sich Schûrâ ab von der Wendung „schâra Al-Asal“ in der Bedeutung „Honig extrahieren“. Als Fachbegriff heißt dies: „Diskutieren und Abwägen von verschiedenen Meinungen und das Betrachten aller Aspekte einer Angelegenheit, um zur passenden Auffassung, zum weisesten Beschluss und zum rechtschaffenen Handeln danach zu gelangen, so dass dies zum Nutzen in der beratschlagten Angelegenheit führt.“

Der Ausdruck Schûrâ kommt ausdrücklich in drei Versen des Qurâns vor:

Sûra Al-Baqara: „Wenn sie beide jedoch in gegenseitigem Einvernehmen und gemeinsamer Beratung (das Kind vorzeitig) entwöhnen wollen, so ist darin keine Sünde für sie “ (Sûra 2:233). Sûra Âli Imrân: „(…) bitte für sie um Vergebung und ziehe sie in den Angelegenheiten zu Rate“ (Sûra 3:159). Sûra as-Schûrâ: „(…) diejenigen, die ihre Angelegenheiten durch Beratung untereinander (regeln)“ (Sûra 42:38).

Die Sûra as-Schûrâ ist eine mekkanische Sûra, die vor der Einführung der meisten Gebote und der Detaillierung von halâl und harâm herabgesandt wurde. Dies weist darauf hin, dass die Schûrâ ein Prinzip im Leben des Muslims ist, nach dem er sich in allen Situationen des Lebens zu richten hat.

Die Verse in Sûra Al-Baqara sprechen über das Stillen und wann Kinder abgestillt werden. Sie besagen, dass der Vater und die Mutter sich beraten sollen, ob das Ende der Stillzeit nach zwei Jahren oder schon früher eintreten solle, je nachdem welchen Nutzen sich beide davon versprechen. Dies ist eine innerfamiliäre Angelegenheit von eindeutiger Privatheit. Das weist darauf hin, dass der Begriff der Schûrâ von weiterer Bedeutung ist und einen größeren Anwendungsbereich besitzt als nur im politischen Sinne bezogen auf den Herrschaftsrahmen, wie viele meinen. Schûrâ ist vielmehr eine umfassende Methode im Leben des Muslims, die sowohl in der Familie als auch in der Gesellschaft und in allen privaten und öffentlichen Angelegenheiten zur Anwendung gelangt.

Die Angelegenheiten der Gesellschaft können nicht diktatorisch durch einen einzigen Menschen geregelt werden, sei es der Herrscher oder der Inhaber eines Amtes oder sonst jemand von großem Einfluss. Dementsprechend kann auch in der Familie nicht ein einziger seine Meinung durchsetzen, auch nicht der Vater. Vielmehr treffen alle gemeinsam Entscheidungen: Väter, Söhne, Mütter, Töchter, damit sie alle diese Methode lernen und darin kompetent werden. Wer sich berät, erleidet keinen Verlust und niemand, der das Gebet um die gute Eingebung spricht, wird es bereuen.

Der Vers in Sûra Âli Imrân ist der erstaunlichste der drei Verse, und zwar, weil er nach der Niederlage von Uhud herabgesandt wurde. Damals hatten die Mu’minûn einen Misserfolg erlebt, weil sie sich gegen die Entscheidung des Propheten (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) und seinen Befehl gestellt hatten. Er hatte sich mit ihnen über die beiden Möglichkeiten beraten, entweder auszuziehen, um den Polytheisten in einer offenen Feldschlacht zu begegnen oder sie in Medina zu erwarten. Die großen Prophetengefährten wollten lieber in Medina bleiben. Da sie die Stadt besser kannten, wollten sie den Feind in Medina erwarten, um sich gegen ihn in den Straßen, Gassen und von den Dächern herunter verteidigen zu können. Doch die jungen Leute und diejenigen, die zuvor nicht bei der Schlacht von Badr gewesen waren, optierten für den Auszug, und deswegen gab der Prophet ihrem Willen nach. Es traten dann verheerende Ereignisse ein, so dass er selbst Schaden davon trug, Prophetengefährten fielen und die Armee eine Niederlage erlitt. Damit niemand dies auf die Schûrâ schieben und sagen könnte: „Habt ihr die Folge eurer Ansicht gesehen und das Ergebnis, weil er euch nachgegeben hat“, kam das Wort Allâhs herab, in dem sie ermuntert werden, mit der Methode der Beratung weiterzumachen. Sie stellt in jeglicher Hinsicht einen Segen dar, selbst wenn die beschriebene Niederlage eingetreten ist. Allâh der Erhabene sagt: „(…) so verzeihe ihnen, bitte für sie um Vergebung und ziehe sie in den Angelegenheiten zu Rate“ (Sûra 3:159). Egal was passiert, sollen die Muslime motiviert werden, sich weiterhin zu beraten und darin konsequent zu sein.

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