Einhalten guter Manieren im Umgang mit Gegnern – Teil 2

06/03/2022| IslamWeb

2. Man darf solch einen Menschen nicht mit etwas in Verbindung bringen, zu dem er keinerlei Beziehung pflegt. Zur Fairness gehört, dass man ihm nicht zuschreibt, was er nicht gesagt hat, oder ihn zu etwas verpflichtet, wozu er sich nicht verpflichtet hat. Seine Worte sollten von jeder Zweideutigkeit befreit und so verstanden werden, wie er sie meint. Außerdem erwartet man von dir, seine Worte im positiven Licht zu deuten. Hierbei ist unser Maßstab der von Usâma ibn Zaid (möge Allâh mit ihm zufrieden sein) überlieferte Hadîth: Der Gesandte Allahs (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) entsandte uns nach Al-Huraqa. Morgens überraschten wir den Stamm und besiegten ihn. Ich verfolgte mit einem der Ansâr einen Mann. Als wir ihn stellten, sagte er ‚Lâ ilâha illâ Allâh‘. Da hielt der Mann von den Ansâr inne, doch ich verwundete ihn (den Feind) solange mit meinem Speer, bis ich ihn getötet hatte. Als wir heimkehrten, erfuhr der Prophet (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) davon. Da sagte er (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken): ‚Usâma, hast du ihn getötet, nachdem er Lâ ilâha illâ Allâh gesagt hat?‘ Ich erwiderte: ‚Gesandter Allâhs, er wollte sich retten.‘ Doch er (der Prophet) wiederholte diesen Satz so oft, dass ich mir wünschte, ich hätte den Islâm erst nach jenem Tag angenommen“ (Al-Buchârî und Muslim).

Es gehört zur Gerechtigkeit, dass wir ohne eindeutige Beweise keine bösen Vermutungen über andere hegen; vielmehr sollten wir dies auch bei Unklarheiten vermeiden, bis die Situation offensichtlich und eindeutig wird. Ein Mann fragte den Propheten (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) über das Bezeugen. Der Prophet fragte ihn: „Siehst du die Sonne?“ Der Mann antwortete: „Ja.“ Der Prophet (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) sagte: „Lege Zeugnis ab für das, was so klar ist wie die Sonne; ansonsten nicht.“ (Al-Hâkim und Al-Baihaqî; nicht authentisch gemäß Ibn Hadschar und anderen. Ibn Hazm sagte, die Überliefererkette wäre nicht authentisch, doch die Bedeutung stimmt.)

Ibn Qayyim (Allâh erbarme sich seiner) sagte: „Jeder Anhänger einer Überzeugung wählt die besten Worte, um seine Prinzipien auszudrücken und versucht, sie auf die beste Weise zu präsentieren, während er mit den Ansichten und Überzeugungen seiner Gegner das Gegenteil tut. Wer einsichtig ist, der erkennt, was sich hinter solchen Worten verbirgt, und weiß, ob sie wahr oder falsch sind, deshalb solltest du dich niemals von Worten täuschen lassen.“ Ein Dichter sagte: „Du sagst: ‚Dies ist die Gabe der Bienen‘, um den Honig zu loben, oder wenn du willst, sagst du, es sei das Gespei der Wespen! In beiden Fällen des Lobes und der Missbilligung hast du eine korrekte Beschreibung vorgenommen, dennoch kann die Wahrheit durch den Missbrauch von Worten verunstaltet werden.“

Wer also die Wahrhaftigkeit oder Falschheit einer Bedeutung erkennen will, muss sie von der Hülle der sie umgebenden Worte befreien und sein Herz so einstellen, dass es sich weder in einem Zustand der Neigung noch der Abneigung befindet, um dann die Worte mit einem gerechten Auge zu betrachten. Sei nicht wie jemand, der den Worten seiner Gefährten und derer, denen er vertraut, volle Aufmerksamkeit schenkt, aber einen unachtsamen Blick auf die Worte derer wirft, die anderer Meinung sind als er. Wahrlich, das Auge der Missgunst sieht die Vorteile als Nachteile, und das Auge der Bewunderung sieht die Nachteile als Vorteile. Keiner ist davor bewahrt, außer dem, den Allâh ehrt und für die Annahme der Wahrheit auserwählt. Ein Dichter drückt diese Bedeutung wie folgt aus: „Das Auge der Zufriedenheit ist blind für jeden Makel, während das Auge der Unzufriedenheit die Fehler aufdeckt.“ Ein anderer Dichter sagte: „Sie blicken mit dem Auge der Feindschaft, wäre es das der Zufriedenheit gewesen, hätten sie gemocht, was sie verurteilen.“

Aus diesem Grund pflegte der Prophet (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) Folgendes in seinen Bittgebeten zu sprechen: „O Allâh, ich bitte Dich um Standhaftigkeit in all meinen Angelegenheiten und Entschlossenheit, dem rechten Weg zu folgen, ich bitte Dich, mich dankbar für Deine Segnungen zu machen und mich Dich richtig anbeten zu lassen. Ich bitte Dich um ein gesundes Herz und eine wahrhaftige Zunge. Ich bitte Dich um das Beste von dem, was Du weißt, und ich suche Zuflucht bei Dir vor dem Schlimmsten von dem, was Du weißt, und ich suche Deine Vergebung für das, was Du weißt“ (An-Nasâî, Ahmad und Ibn Hibbân; authentisch nach Al-Albânî).

3. Ein weiterer Aspekt guter Umgangsformen mit einem Gegner ist die Fairness, wenn es darum geht, Missverständnisse zu beheben und sie zu widerlegen. Wenn ein Muslim einen weit verbreiteten Irrtum ansprechen muss, sollte er dies tun, ohne einen der damit verbundenen Aspekte zu übersehen. Ehrlichkeit bei der Darstellung eines Missverständnisses ist wesentlich, um Gerechtigkeit walten zu lassen. Es ist wichtig zu wissen, dass die Wahrheit von Licht begleitet wird. Man muss nach der Wahrheit trachten und sich anstrengen, um sie zu verteidigen und die Pflicht erfüllen, indem falsche Vorstellungen über die Wahrheit widerlegt werden. Wer befürchtet, diese Pflicht nicht richtig erfüllen zu können, der sollte sie einem anderen anvertrauen, damit er nicht unwissentlich falsche Handlungen begeht.

Der edle Qurân ist reich an großartigen Beispielen für die Widerlegung von Gegnern, die schlimme Behauptungen vortragen: „Und sie sagen: ‚Das (Höllen)feuer wird uns nur für gezählte Tage berühren.‘ Sag: Habt ihr mit Allâh einen Bund geschlossen? Dann wird Allâh Seinen Bund nicht brechen. Oder wollt ihr von Allâh etwas sagen, was ihr nicht wisst?“ (Sûra 2:80). „Und sie sagen: ‚Allâh hat Sich Kinder genommen.‘ Preis sei Ihm! Nein! Vielmehr gehört Ihm (alles), was in den Himmeln und auf der Erde ist. Alle sind Ihm demütig ergeben“ (Sûra 2:116). „Die Zurückgelassenen waren froh darüber, dass sie hinter Allâhs Gesandtem (daheim) sitzen geblieben sind, und es war ihnen zuwider, sich mit ihrem Besitz und mit ihrer eigenen Person auf Allâhs Weg abzumühen. Und sie sagten: ‚Rückt nicht in der Hitze aus!‘ Sag: Das Feuer der Hölle ist noch heißer; wenn sie (es doch) verstehen würden!“ (Sûra 9:81). „Was nun die Âd angeht, so verhielten sie sich hochmütig auf der Erde ohne Recht und sagten: ‚Wer hat eine stärkere Kraft als wir?‘ Sahen sie denn nicht, dass Allâh, Der sie erschaffen hatte, eine stärkere Kraft hat als sie? Aber sie pflegten Unsere Zeichen zu verleugnen“ (Sûra 41:15).

Eine ehrliche Darstellung von schädlichen Behauptungen, um sie dann mit einer überzeugenden Antwort zu widerlegen, ist eine effiziente Technik, um alle Argumente mit voller Höflichkeit und Gerechtigkeit zu unterbinden. Es gehört sich also, sowohl in Worten als auch in Taten redlich zu sein!

Ich bitte Allâh den Allmächtigen, uns hierbei Rechtleitung zu gewähren! Âmîn!

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